I. Genzken: Ja. Ich kann im Grunde genommen auch durch deine Fotografie lesen, was dich bewegt. Also, was dich wirklich bewegt und nicht was dich pseudomäßig leicht von der Decke herab bewegt. Ich finde es nicht gut, wenn es in der Kunst so ist – aber es ist leider oft so. Deshalb mag ich zum Beispiel als Bildhauer sehr gerne Bruce Nauman. Bei ihm habe ich wirklich manchmal gedacht: Das ist einfach sehr schön.

W. Tillmans: Weil er jemand ist, der sich potenziell immer der Mittel bedient, die schon da sind, oder? Denn seine Arbeiten bestehen ja auch nicht aus fantasievoll erfundenen Formen…

I. Genzken: Vor allem ist es ja sowieso schon schwierig etwas darzustellen, was einen innerlich bewegt. Aber darum geht es letztlich doch in der Kunst und das ist es ja auch, was einen so anspricht – wenn jemand das kann.

W. Tillmans: Und wenn man eben nicht den Kunstwillen als erstes sieht, sondern…

I. Genzken: Ja, genau.

W. Tillmans: …sondern wenn sich jemand wirklich für etwas interessiert. Das ist ja viel spannender, wenn sich jemand für etwas interessiert, als wenn sich jemand nur für den Willen etwas zu machen interessiert. Und eigentlich kann man die Kunst ja in diese beiden Fraktionen einteilen. Die eine entsteht aus dem Willen zu zeigen: Ich mach hier was. Und die andere entsteht aus einem unmittelbaren Interesse für die Welt und für die Dinge.

I. Genzken: …Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll… ist gar nicht so einfach, das alles auszudrücken, aber… deshalb gebe ich zum Beispiel auch nicht gerne Interviews…

W. Tillmans: Was ich jetzt zum Beispiel gerade gesagt habe, ist ja extrem verflachend, wo man ja auch schon denkt: Um Himmels Willen, kann man das eigentlich sagen? Aber wenn ich Kunst angucke, funktioniert das bei mir eigentlich so. Ist es Ideenkunst oder nicht? Ist es ausgedacht oder ist es nicht ausgedacht? Eigentlich sind das Tabuzonen, die man damit betritt. Weil man das eigentlich ja so nicht sagen darf…

I. Genzken: Aber ich glaube, da sind wir uns etwas ähnlich.

W. Tillmans: Gibt es ein formales Gebäude für deine Fotografien?

I. Genzken: Die ersten Bilder, die ich fotografiert habe, waren die HiFi-Anlagen und die haben ja nun was mit Tönen und mit Musik zu tun und sie haben auch eine ganz starke, eigene Form. Und als nächstes habe ich dann die Ohren fotografiert. Etwas Organisches. Etwas von Innen nach Außen. Vom Kopf kommend. Ich habe diese Ohren-Serie ja in New York gemacht und die Leute, die Frauen, auf der Straße gefragt, ob ich ihr Ohr fotografieren kann. Und keine einzige Frau hat Nein gesagt. Denn ich habe nicht nach deren Gesicht gefragt, sondern nach etwas weitgehend Anonymen.
 
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Ein Text von Benjamin H. D. Buchloh l Ein Gespräch mit Wolfgang Tillmans
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