Um im Land der Meister tatsächlich
ein Vokabular feministischer Skulptur zu entwickeln und zu behaupten –
ein Ziel, das Genzken mit jener verbissenen und schließlich zum
Erfolg führenden Hartnäckigkeit verfolgte, die sie mit ihrer
älteren hanseatischen, von ihr bewunderten Kollegin Hanne Darboven
verbindet –, war in der Tat nicht weniger als eine herkulische Hysterie
vonnöten. Bezeichnenderweise allerdings widerrief Genzken, gerade
als sie jenes Vokabular in Gestalt ihrer hölzernen Hybriden ausformuliert
hatte (das von Lobgesängen auf utopische Versprechungen leuchtend
bunter biomorpher Abstraktion bis hin zu protoutilitaristischen mechanomorphen
Vehikeln zur Fortbewegung unter Wasser oder im Weltall reichte), sämtliche
Kontinuität und verwarf den holistischen Glanz ihrer makellosen Entwürfe
zugunsten einer Ästhetik des Bruchs, des Schutts und der architektonischen
Fragmente. Zu gerade diesem Zeitpunkt waren ihre Arbeiten – als
Teil der documenta 7 im Jahr 1982 – endlich allgemein sichtbar. |
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Diese plötzliche Umkehrung signalisierte
allerdings ein weiteres Schisma beziehungsweise eine Genzkens Skulpturen
betreffende doppelte Aufhebung. Zunächst einmal negierten ihre neuen
Arbeiten das Vertrauen der Konstruktivisten in eine Allianz von bildhauerischer
und naturwissenschaftlich-technischer Rationalität, das der amerikanische
Minimalismus übernommen hatte. In programmatischen Disidentifikations-Akten
löste Genzken nun sämtliche Verbindungen zur Abstraktion nach
amerikanischem Vorbild einschließlich der mit ihr assoziierten Farben
und Morphologien. Sie distanzierte sich von den tadellos ausgeführten
stereometrischen Formen ihrer früheren Plastiken und plädierte
stattdessen für eine Ästhetik der Streuung und Ausbreitung (monochromer
grauer Materialien wie Zement und Beton) sowie der architektonischen Brüche,
für ebenjene Prinzipien und Materialien, die sie jetzt als beherrschende
Elemente der idiosynkratischen Objekte von Schwitters bis hin zu Beuys
wiederentdeckte. |
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Genzkens Rückkehr zu den lokalen Ausdrucksweisen
wurde überdies durch die Tatsache befördert, dass ihre einst
utopischen Modelle sich in Größe und Format dem öffentlichen
Raum und dem Umstand einer simultanen kollektiven Wahrnehmung angenähert
hatten, nach der die Bildhauerei im zwanzigsten Jahrhundert stets gestrebt
hatte. Nachdem sie die Glaubwürdigkeit ihres Engagements für
derartige utopische Bestrebungen im Nachkriegsdeutschland einer gründlichen
Prüfung unterzogen hatte, wandte sich Genzken nun also der Melancholie
verfallener Interieurs und zersplitterter Bunkerfragmente zu. Ihre ruinenhaften
Verweigerungen negierten nicht nur jede Vorstellung einer von Natur aus
gegebenen, auf eine aktuelle Architektur und kollektive öffentliche
Erfahrung ausgerichteten skulpturalen Dynamik, sondern stellten auch einen
direkten Angriff auf die herrschenden Codes und Bedingungen der deutschen
Wiederaufbauarchitektur in all ihrer Erbärmlichkeit dar. |
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Ihre frühen Ausflüge in die Fotografie
waren ebenso überraschend, ernteten allerdings noch weniger Anerkennung.
Nachdem sie an der Akademie den Dialog mit den Studenten der Klasse von
Bernd and Hilla Becher gesucht hatte, die sich bald selbst einen Namen
machen sollten – insbesondere mit Candida Höfer und Thomas
Struth – produzierte Genzken 1979 die Fotoserie Hi-Fi.
Darin nahm sie ihre späteren endlosen Bildakkumulationen zum Thema
Massenkultur in Form von Collage-Büchern vorweg, als wesentliche
Ergänzung ihrer bildhauerischen Disartikulation des Terrors, der
von der alltäglichen Objektwelt ausging. In dieser Serie entdeckte
Genzken (in augenfälligem Gegensatz zur Architekturfixierung der
Becherklasse) die verführerischsten, weil strengsten Modelle damals
zeitgenössischer japanischer Stereoanlagen als visuelles System,
in welchem alle avantgardistischen Bemühungen um eine Transformation
des Alltags inzwischen begraben lagen. |
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